Einträge im Internet löschen
Jugendsünden dokumentierende Einträge im Internet löschen sollte jeder, der auf der Karriereleiter nach oben klettern möchte. Was in früheren Zeiten gewöhnlich im dunklen Schlund des Vergessens versank, steht heute ohne zeitliche Beschränkung öffentlich zur Verfügung – durch alte Posts in den sozialen Medien. Unbedachtes oder Peinliches wieder zu löschen, stellt sich allerdings meist als anspruchsvolle Aufgabe dar.
In einem Interview mit dem Handelsblatt berichtet Reputationscoach Christian Scherg von einem sprunghaften Anstieg von Anfragen, letztens in vermehrtem Maße von Politikern. „Ich habe dieses Jahr vollkommen auf Urlaub verzichtet“, berichtet der Kommunikationsexperte. „Vor allem kurz vor der Bundestagswahl war viel los.“
Als kombiniertes Dienstleistungsunternehmen agiert Christian Schergs Agentur REVOLVERMÄNNER als Reinigungsservice und als Taskforce. So behandelt die Agentur ein verbreitetes Problem von Menschen, die gerade beruflich aufsteigen.
Naturgemäß trifft das Problem der unerwünschten Informationen im Netz besonders junge Menschen, denn sie sind in vermehrtem Maße in den sozialen Netzwerken aktiv. Und gerade junge Menschen betreiben besonders intensive Karrierearbeit. Karriere und peinliche Posts aus der Vergangenheit – das ist ein Widerspruch, der sich auf den Berufsweg ruinös auswirken kann.
Politische Karrieren versanden oft im Web
Ein aktuelles Beispiel, das in dem Handelsblatt-Interview mit Christian Scherg zur Sprache kommt, ist das Schicksal von Sarah-Lee Heinrichs, ihres Zeichens Bundessprecherin der Grünen Jugend. Fast wäre sich nicht ins Amt gewählt worden – homophobe und antisemitische Hass-Posts als Vierzehnjährige hätten ihrer Karriere um ein Haar ein vorzeitiges Ende beschert.
Ähnlichen Situationen sehen sich selbst erfahrene Unternehmer und Manager gegenüber. So kamen dem früheren Siemens-Chef Joe Kaeser immer wieder seine krassen Twitter-Posts in die Quere. In einem Tweet bezeichnete der Elon Musk als “kiffenden Kollegen” – eine Äußerung, die er später bedauerte: “Den Tweet hätte man nicht machen sollen”, gestand Joe Kaeser später.
Soziale Medien als fester Bestandteil des Lebens
Dass soziale Medien sich mittlerweile zum festen Element der Lebensgestaltung vieler Menschen etabliert haben, ist eine nicht mehr zu leugnende Tatsache. Etwa 5,5 Millionen Deutsche verwenden Twitter mindestens einmal monatlich. Laut des Strategieberatungsunternehmens Keynote produziert ein durchschnittlicher Vorstandschef 123 Tweets pro Jahr.
Arbeitgeber nutzen die sozialen Medien zunehmend als Rekrutierungsinstrument. Etwa 60 Prozent aller Recruiter durchleuchten Bewerber per Suchmaschine, über die sie deren private Profile ausfindig machen. “Das hat den Bedarf an professionellem Reputationsmanagement sprunghaft ansteigen lassen”, berichtet Christian Scherg.
Karriereknick durch unbedachte Social Media-Posts
“Wenn Kunden bei uns anrufen, befinden sie sich meist schon mitten in der Krise”, sagt Christian Scherg. Unglücklich gestaltete Social Media-Aktivitäten können sich auf unterschiedliche Weise manifestieren – vom obszönen Tweet über ein kompromittierendes Foto auf Facebook oder Instagram bis zum unüberlegten Like für problematische Beiträge oder Kommentare.
All diese oft impulsiv entstandenen Lebensäußerungen können ihre Verfasser auch noch Jahre später vor massive Probleme bei der Karriere, in der Beziehung oder in Sicherheitsfragen stellen. “Hier soll ich dann einschreiten und die Vergangenheit wieder säubern”, berichtet der Reputationsmanager.
Einträge im Internet löschen ist oft kriminalistische Ermittlungsarbeit
Bei der Analyse der Aktivitäten seiner Kunden versetzen sich Christian Scherg und sein Team in die Rolle eines potentiellen Angreifers. “Ich schaue mir an, was man prinzipiell mit den Daten anstellen könnte – so wie das ein Hacker tun würde”, sagt der Kommunikationsexperte. Auf diese Weise lassen sich nicht nur anstößige Beiträge ausfindig machen. Auch Informationen, die die Sicherheit gefährden, tauchen so auf, beispielsweise Fotos, die auf den Wohnort des Urhebers schließen lassen.
Nach der primären Suchmaschinen-Recherche durchleuchten die REVOLVERMÄNNER unter Anwendung spezialisierter Algorithmen die Profile ihrer Kunden in den sozialen Netzwerken. Mit Hilfe von Crawlern suchen sie nach bestimmten Trigger-Begriffen und Namen und decken eventuell vorhandene Verbindungen untereinander auf.
“Auf diese Weise lassen sich nicht nur die Aktivitäten des Kunden durchleuchten”, berichtet Christian Scherg. “Über dieses Verfahren finden wir auch Informationen, die andere über unseren Kunden verbreitet haben.”
Einträge im Internet löschen – oft eine Sisyphus-Arbeit
“Lückenloses Löschen bestimmter Informationen im Web ist unmöglich”, weiß Christian Scherg. Neben den eigentlichen Posts können sich die Inhalte bereits in zahlreichen Internet-Archiven befinden. Und damit nicht genug: Viele soziale Plattformen bieten die Möglichkeit, angeblich gelöschte Daten wieder herzustellen.
“Und dann sind da noch die Screenshots, die andere Nutzer von den Inhalten des Kunden angefertigt und geteilt haben könnten”, gibt der Reputationsmanager zu bedenken. Ähnliches gilt für Chatverläufe, die interessierte Kreise gespeichert haben könnten. “Als Person des öffentlichen Lebens wäre ich mit meinen Äußerungen in den sozialen Medien sehr vorsichtig”, empfiehlt der Reputationsexperte.
Einträge im Internet löschen ist eine Kommunikationsstrategie
“Reputationsmanagement bei unüberlegter Social Media-Aktivität bedeutet nicht einfach das wahllose Löschen von Posts”, sagt Christian Scherg. “Vielmehr entwickeln wir gemeinsam mit dem Kunden eine Kommunikationsstrategie.”
Das kann bei nachteiligen oder kompromittierenden Beiträgen Stellungnahmen beinhalten, um das frühere Verhalten zu relativieren. Dann kommen neue Posts, sowohl mit Bildern als auch textlich, die die aktuelle positive Entwicklung darstellen. „Ich muss meine Story einordnen und sie auf die heutige Situation beziehen“, erläutert Christian Scherg.
Strategie: entschuldigen und offensive Kommunikation
In Schockstarre zu verfallen und nicht zu reagieren, wäre der falsche Weg, mit dem eigenen problematischen Social Media-Auftritt umzugehen, besonders für jüngere Menschen. “Der beste Weg: entschuldigen und in die Offensive gehen”, rät Christian Scherg. Diesen Weg wählte auch Sarah Lee-Heinrichs in Form eines öffentlichen Mea Culpa: „Das war maximal dumm und unangebracht. Es tut mir wirklich leid, einen solchen Tweet jemals abgesetzt zu haben.“
Offenbar verziehen ihre Anhänger der jungen Grünen-Politikerin ihren Fehltritt, wie die Wahl zur Bundessprecherin belegt. Darauf läuft es beim Reputationsmanagement wohl hinaus: “Eigentlich brauchen wir eher ein digitales Vergeben, statt ein digitales Vergessen”, sagt Christian Scherg.