Shitstorm Tamaris: Wandel statt Krisenreaktion
Die anhaltende Diskussion rund um das auf LinkedIn veröffentlichte Foto der neuen Tamaris-Führungsmannschaft hat ein Schlaglicht auf ein Thema geworfen, das weit über Bildsprache und Shitstorm-Dynamik hinausgeht. Für Christian Scherg, Geschäftsführer der Düsseldorfer Reputationsagentur REVOLVERMÄNNER GmbH und einer der führenden Kommunikationsexperten im deutschsprachigen Raum, liegt die eigentliche Relevanz der Debatte deutlich tiefer – in den Strukturen, den Prozessen und den unbewussten Mustern eines Unternehmens, wie er im Interview mit der Zeitschrift Textilwirtschaft darlegt.
Aus Sicht Schergs ist das Foto lediglich der Auslöser, nicht jedoch die Ursache der Krise. „Die aktuelle Diskussion zeigt, dass das veröffentlichte Foto nicht das eigentliche Problem ist, sondern die symptomatische Verdichtung struktureller Muster im Unternehmen“, erklärt der Reputationsspezialist. Entsteht über Jahre hinweg eine nahezu ausschließlich männliche Führungsebene, sei dies kein Zufall, sondern ein Hinweis auf gewachsene Strukturen, die bestimmte Karrieren begünstigen und andere unsichtbar machen. Genau hier müsse Kommunikation ansetzen – nämlich dort, wo sie auf Unternehmenskultur trifft.
Glaubwürdige Krisenkommunikation braucht echte Veränderungen im Unternehmen
Scherg betont, dass glaubwürdige Kommunikation nur dann möglich sei, wenn sie durch strukturelle Veränderungen begleitet werde. Reine Statements oder schnelle Reaktionen reichen seiner Meinung nach nicht aus, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Er plädiert vielmehr für einen systematischen, professionellen Ansatz: Ein unabhängiges Diversity-Audit könne helfen, Entscheidungsmechanismen kritisch zu hinterfragen und bislang unentdeckte blinde Flecken sichtbar zu machen. „Wer Diversität ernst meint, muss diesen Kreislauf bewusst durchbrechen“, so Scherg.

Entscheidend sei zudem, weibliche Talente nicht nur zu identifizieren, sondern aktiv zu fördern und ihnen reale Zugänge zu Führungspositionen zu ermöglichen. Transparenz spiele dabei eine zentrale Rolle. Unternehmen sollten klar kommunizieren, welche Ziele sie sich setzen, wie Fortschritte gemessen werden und welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden. Genau diese Offenheit erwarte nicht nur die Öffentlichkeit, sondern vor allem die Kernkundinnen der Marke.
Von der Krise zur Chance: Wie Transparenz und Diversity Tamaris stärken können
In der aktuellen Tamaris-Diskussion sieht Scherg deshalb nicht nur eine Krise, sondern eine Chance: „Tamaris muss zeigen, dass Kritik nicht relativiert, sondern ernst genommen wird – und dass Veränderung nicht als Krisenreaktion verstanden wird, sondern als strategische Weiterentwicklung.“ Nur so könne aus einer hitzig geführten Debatte ein Wendepunkt entstehen, der das Unternehmen langfristig stärkt.
Mit seiner Analyse liefert Christian Scherg eine klare Botschaft: Moderne Krisenkommunikation ist keine kurzfristige Reaktion, sondern ein ganzheitlicher Prozess, der Kommunikation und Kultur untrennbar miteinander verbindet. Genau dort entscheidet sich, ob Vertrauen verloren geht – oder neu entstehen kann.



